Ein Tag im Zeichen der Gaumenfreuden und -obskuritäten
Drei Tage Vorort, das sollte reichen, um den Magen zu akklimatisieren.
Also liegt nichts näher als sich vom Touri-Einheits-Essen zu verabschieden, die Banana-Pancakes den anderen Travellern zu überlassen und mal in das lokale Angebot abzutauchen.
Zugegebenermaßen bin ich zwar nicht zimperlich, aber Angst vor der eigenen Courage ist dennoch etwas, das sich gelegentlich auch in meinen Hirnmilungen rumtreibt…
Da hilft nur eins: Konfrontationstherapie!
Beim Frühstück ging’s noch recht zahm zu: Anstatt Toast und Marmelade und den eben erwähnten Pancakes gabs erst einmal ne Pho ga, also das Hühner-Pendant zur Pho bo. Da die nicht extrem gewürzt ist, geht das noch gut von der Hand, wobei Suppe jetzt nicht zu meinem normalen Frühstück in Dtl. gehört.
Um neun Uhr hatte ich dann einen Kochkurs um die Ecke meines Hotels gebucht. Dian – so nannte sich mein Kochmeister – organisierte dann zwei Fahrradrikschas, was ich ja nur im Ausnahmefall mache, und wir eierten dann durchs Gewusel im Old Quarter Richtung Markthalle. Ich komm mkir in den Dingern immer vor, wie ein grenzdebiler Weise-Socken-Birkenstock-Touri, der eigentlich nur das nächste Wiener Schnitzel sucht.
Nun denn, auch damit kommt man zugegebenermaßen ans Ziel 🙂 Beim Verlassen hat mein Betreuer in Sachen „Kulinarisches aus Vietnam“ gleich mal Theater ist den Rikschafahrern angefangen wegen des Fahrpreises. Genau wie auf dem türkischen Basar: Wildes Beschimpfen, Beleidigt spielen, einfach gehen wollen, wieder zurück kommen, nochmal sprechen, Mit Geld Wedeln und zufrieden auseinander gehen. Sehr witzig!
Dann ging’s aber mit Sieben-Meilen-Stiefeln durch die Markthalle zum Fischstand. Der dritte Gang meines Menüs war nämlich gegrillter Fisch Hanoier Art.
Wir schauten uns einige lebende Fische in Becken an, die jetzt nicht gerade unter die Kategorie „artgerechte Haltung“ fielen. Von Stör über Karpfen bis zu Wels war einiges geboten. Drumrum standen Schüsseln mit verzurrten Krebsen, Kalmaren, Oktopusse, Austern und anderen Muscheln. Auch Schildkröten wurden feil geboten.
Also um’s mal gleich zu sagen, für Zartbesaitete war das jetzt keine Augenweide. Am besagten Welsbecken machten wir Halt. Dian diskutierte mit der Verkäuferin, die sogleich versuchte mit einem Kescher einen Beckenbewohner zu fangen, wo hingegen die Fische keine Absicht hatten, sie dabei zu unterstützen. Also packte sie sich nicht nur ein Herz sondern auch gleich noch einen Fisch – und das mit den Händen. Der Knabe war sicher 60cm lang und sicher 4-5kg schwer. Sie ließ ihn lässig auf den Boden vor dem Becken plumpsen, wo bereits ihre Arbeitsgeräte lagen – eine Mischung aus Hackebeil und großen Messer und dazu ein Brett, das aussah wie eine ca. 5cm dicke Scheibe eines Spaltblocks.
Um dem zappelnden Flossentier die Lebensgeister auszuhauchen, schlug sie ihm gekonnt mit der Rückseite des Beils harsch auf den Schädel, der dann fast nicht mehr zuckte. Beim nächsten Schlag mit der scharfen Seite war dann auch der halbe Kopf weg und beim Dritten dann der Ganze.
Mit zwei Griffen war er ausgenommen und auf zwei Drittel nochmal aufgeteilt. Das mittlere Stück landete dann in unserer Plastiktüte und wenn ich mich nicht ganz täusche, hat sich das Stück noch etwas bewegt….
Was mir dabei immer wieder auffällt, wie wir mit unserer Supermarkt-Einkaufs-Kultur abgekoppelt sind von der Produktion von Lebensmitteln. Gerade bei Fisch und Fleisch. Dass es einem dann Unbehagen bereitet, wenn das Tier vor den eigenen Augen stirbt, ist ja mehr als logisch. Schließlich ist bei uns alles Super-clean und aus dem realen Kontext gerissen. Dieser Fisch hat wegen meinem Hunger sein Leben gegeben. Das hat aber jedes Fischstäbchen im Tiefkühlregal oder Hähnchenbrustfilet vorher auch – und ob das „humaner“ geschah, lass ich jetzt mal dahin gestellt!
Das erinnert mich gelegentlich an meine Oma, die als junge Frau auch mit dem Beil hinter den Hühnern herlief und sie anschließend meuchelte oder später dann die Stallhasen ins Jenseits beförderte. So weit ist es bei uns nämlich auch noch nicht her, als man das Töten von Tieren nicht ausschließlich speziellen Berufsgruppen übertrug. Aber ich schweife ab….
Den Fisch in der Tüte ging’s dann etwas ruhiger zu. Wir suchten uns noch an jeder zweiten Ecke frische Kräuter, die so herrlich epische Namen hatten wie „Morning Hope“. Einige wenige, wie frischen Koriander und Dill kennt man ja, aber der Rest war mir gänzlich unbekannt. Auch hier wurde wieder gefeilscht und gequatscht, geturtelt und verhandelt.
Auf dem Rückweg, den wir zu Fuß absolvierten, wurde es dann wieder spannender: Der erste Ausflug ging zu einer Dame, die in ihrem Kochtopf Enteneier anbot – wohlgemerkt Befruchtete! Das war mir jetzt durchaus suspekt – nach langem Beschwichtigen von Dian, dass es sich dabei um eine Vietnamesische Spezialität handle und das sehr gut schmecke, lenkte ich ein. Und was soll ich sagen, sie schmecken wirklich gut. Wobei ich die Frage offen lassen würde, ob Unbefruchtete jetzt viel schlechter schmecken würden….
Aber macht Euch selbst ein Bild!
Danach schlenderten wir noch weiter durch’s Viertel und nach spätestens fünf Minuten kam die Rede auf den „Hund“. Um es gleich vorweg zu nehmen, nein, ich hab keinen Waldi verspeist. Als noch Interims-Hundebesitzer setzt für mich da tatsächlich eine Pietätsgrenze ein. Allerdings sind wir an Ständen vorbeigelaufen, sie Satai-Spieße aus Hund anboten. Danach interessierte mich das Thema dann aber vom Umgang damit aber schon. Dian erzählte dann, dass es durchaus vorkommt, dass der eigene Hund eines Tages vom Nachbarn als Sonntagsbraten verarbeitet wird. Das finde ich ja dann schon etwas irritierend.
Jetzt wurde es dann wirklich zahm, denn wir kamen im Restaurant an und brachten unsere Schätze in die Küche. Dort schlüpften wir in Schürzen und fingen an zu Schnippeln.
Als erstes bereiteten wir frische Frühlingsrollen – gelegentlich auch Summer Rolls genannt. Ich liebe die ja wirklich und habe sie hie und da auch schon Zuhause gemacht. Aber die richtig guten Tipps gabs hier jetzt erst. Ich sag nur: „Nimm ein paar der Glasnudeln, zerdrück‘ sie auf dem Reispapier und benutz‘ sie als Kleber zum Schließen der Rolls.“ Einfacher Tipp, aber völlig genial!
Danach war ich schon fast satt – schließlich war das Frühstück noch garnicht so lange her. Bei dem Gedanken, dass wir gleich einen grünen Mangosalat zubereiten würden, den wieder ich alleine essen würde und danach noch der gegrillte Fisch, war mir etwas mulmig zumute. Also nach der Orgie hier bräuchte ich für die nächsten Tage sicher nichts mehr.
Es wurde also wieder geschnippelt und mariniert, Shrimps gedünstet, Calamares gebraten und aus einer Karotte eine essbare Dekoblume gezaubert. Das Ergebnis konnte sich wirklich sehen lassen:
OK, Last Chapter: Der Fisch.
Beim Filettieren merkte man eindeutig, dass das Fleisch noch zuckte – und das 2 Stunden, nachdem der Fisch abgelebt hatte! Ziemlich krass!
Nach dem Marinieren wurde dann ordentlich gegrillt, Dill und Frühlingszwiebeln in einer Pfanne geschmort und der fertige Fisch hinzugefügt. Das ganze mit Reisnudeln und Erdnüssen serviert. Viola!
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